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Erfahrungsbericht: Awake in the Wild-Retreat – Teil 4

Nach vier Tagen ging für mich eine Zeit tiefgründiger Meditationserfahrung zu Ende und ich kann behaupten, dass das Retreat nicht einfach nur schön war, sondern mich fundamental bereichert hat.

Die Erfahrung

Awake in the Wild ist als erfahrungsoffenes Konzept angelegt, das aufeinander aufbaut und immer weitere Facetten der Naturmeditation beleuchtet. Mark führt einen dabei stets sicher durch alle Meditationen, gibt immer wieder offene Impulse, ohne etwas vorzugeben und bleibt immer an der Seite des Meditierenden. Man fühlt sich zu keinem Zeitpunkt allein gelassen, so dass die Gefahr bestünde orientierungslos zu werden. Immer wieder wird man rechtzeitig abgeholt. Die perfekte Balance zwischen präsentem Mentor und unsichtbarem Wegbegleiter. Eine wirklich tolle Leistung. Wer sich in der Meditation dann doch mal gedanklich verliert, dem empfiehlt Mark übrigens sich einen Anker zu suchen, zu dem man immer wieder zurückkehren kann, z. B. den Atem oder das Hören.

Man merkt deutlich, dass alle Meditationsformen und Assoziations-Impulse, die Mark anbietet, einem jahrelangen, persönlichen Reifeprozess entspringen, zu dem er auch alle Teilnehmer ermutigt. Hier wird nicht nach Lehrbuch meditiert und mit großem Zeremoniell, sondern mit Natürlichkeit, Präsenz und viel Raum für persönliche Erfahrungen.

Der Reiz führt in den wahren Moment

Bei seinen Meditationstechniken stellt Mark die multi-sensorische Wahrnehmung in den Mittelpunkt, die sich jederzeit verändert, das flow phenomena, das beständig auf unseren Körper einwirkt (body’s impermanent nature) und die sensorische Landschaft bildet (landscape of your body). Einsteiger dürften mit dieser komplexen Art der Wahrnehmung vermutlich etwas überfordert sein. Für Menschen mit Meditationserfahrung öffnet es allerdings eine vielschichtige Dimension der naturbezogenen Wahrnehmung, die sehr nachhaltig ist. Einige der Meditationen, wie z. B. die Elemente-Meditation, mit der ich erst nicht viel anfangen konnte, haben ihre Wirkung dann noch im Nachhinein einige Tage später entfaltet und gehören nun definitiv auch zu meiner Übepraxis.

Gruppeninteraktion

Besonders gefallen hat mir wie Mark auf Reaktionen und Erfahrungen von Teilnehmern eingegangen ist, wozu es nach jeder Meditationseinheit Gelegenheit gab. Oftmals knüpfte er weitere Impulse an die Erfahrungen der Teilnehmer an, und scheute auch nicht davor auf ungute Empfindungen einzugehen, die ja Teil eines Entwicklungsprozesses sind, der sich in Gang setzt, wenn Meditierende sich auf den Weg machen.

Angesichts der Gruppengröße war es leider nicht möglich das Feedback und die Erfahrungen von allen Teilnehmern zu hören. Das hätte den Gruppenzusammenhalt noch mehr gestärkt. Auch eine Gelegenheit, sich zwischen den Meditationseinheiten mit anderen auszutauschen, wie man es sonst bei Vor-Ort-Retreats natürlicherweise macht, war online leider nicht möglich. Ansonsten habe ich an der Form des Online-Retreats aber nichts vermisst. Im Gegenteil: Das Gefühl, Teil einer internationalen Sangha-Gemeinschaft zu sein, hat noch einmal eine neue Dimension der Zusammengehörigkeit geschaffen und es macht mir Hoffnung, wenn ich sehe, dass auf der ganzen Welt Menschen beginnen aufzuwachen und sich mit der Natur und Wahrhaftigkeit des Lebens auseinandersetzen, anstatt Ihrem einstudierten Alltagsverhalten blindlings zu folgen.

Abschlussgedanken

Die derzeitige Möglichkeit auch von internationalen Lehrern zu lernen – Mark Coleman ist nicht der einzige, der aktuell Online-Seminare anbietet -, ohne dafür eine Weltreise unternehmen zu müssen, eröffnet ganz neue Perspektiven des Zusammenschlusses von Meditierenden. Ich hoffe sehr, dass diese Form des Online-Retreats auch nach der Krisenzeit fortgesetzt wird. Wer die Gelegenheit hat, Mark Coleman und eines seiner Angebote kennenzulernen, dem kann ich nur dazu raten es auch zu tun. Eine Übersicht über seine Veranstaltungen findet man auf seiner Webseite (https://markcoleman.org/).

Für mich war Awake in the Wild jedenfalls etwas ganz besonderes.

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Erfahrungsbericht: Awake in the Wild Retreat – Teil 2

Anstatt in einen Flieger zu steigen habe ich den besagten Donnerstagmorgen dann stattdessen genutzt, um alles für das Retreat vorzubereiten. Zur Einstimmung hatten alle Teilnehmer noch eine Liste mitgeschickt bekommen, die über den Ablauf aufklärte und Tipps zur Vorbereitung für eine störungsfreie Zeit zu Hause beinhaltete. Die kommenden vier Tage sollten ja kein Alltag sein, sondern bestmöglich als Retreat genutzt werden, auch wenn man zu Hause war. Also wurden im Garten mehrere Meditationsplätze hergerichtet, ein überdachter Platz auf der Terasse, falls es regnen sollte, zwei Plätze im Grün auf der Wiese und einer im angrenzenden Waldstück, wo das WLAN-Signal gerade noch so hinreichte. Sonst hatte ich mir nichts vorgenommen. Der Abend konnte also kommen.

Es geht los

Um 17:30 wählte ich mich ein, voller Spannung, was mich jetzt erwarten würde. Die erste halbe Stunde stand zur Verfügung, um technische Probleme mit der Zoom-Konferenz in den Griff zu bekommen. Es gab aber keine, und so nutzte der ein oder andere schon die Gelegenheit sich und seine Umgebung kurz vorzustellen, zumindest die, die sich per Video eingeklinkt hatten.

Und dann ging es los. Nach ein paar einführenden Worten durch Mark zum Ablauf fand man sich dann schon direkt in 4er-Gruppen in virtuellen Besprechungsräumen zusammen, um sich zu beschnuppern. Anspruchsvoller Einstieg für mein etwas eingerostetes Englisch, aber die zugeteilten 3 Minuten für 4 Leute sind dann zum Glück doch schnell rum.

Die erste Meditation

Nun starteten wir mit einer ersten Achtsamkeits-Meditation. Unter den sanften, sich einschmeichelnden Worten von Mark sollten wir in die Präsenz des Körpers finden und erste Verbindung mit der Erde aufnehmen. Mark führte uns die ersten Minuten unter ständiger Anleitung, ruhig und mit minimal-invasiver Stimme durch die Meditation, um im Anschluss ausreichend Raum in der Stille zu geben und dann immer wieder vereinzelte Impulse einzustreuen. Dabei wiederholte er seine Anleitung, paraphrasierte Eindrücke und Assoziationen immer wieder neu, so dass sie gut einsinken konnten. Insgesamt dauerte die erste Meditation knapp 45 Minuten. Zum Abschluss der Meditation wurde ein thematisch passendes Gedicht gelesen, das diesen Zyklus schön abgerundet hat. Hängen geblieben ist bei mir seine wunderbare Assoziation Landscape of your body, also die Landschaft, die unseren Körper formt. In späteren Meditationen hat er dieses schöne Bild noch erweitert und die Landschaft des Körpers als Sinnbild der sensorischen Wahrnehmung genommen, die sich durch Sinneseindrücke beständig formt und verändert.

Der Ablauf der Meditationseinheiten sollte die folgenden Tage immer mehr oder weniger diesem Schema folgen: Kurze Einführung, Anleitung, Stille, Impulse und zum Abschluss, manchmal auch zu Beginn ein Gedicht, das das Thema der Meditation unterstreicht, anschließend freiwillige Feedbackrunde.

Den Raum draußen halten

Nach dieser Phase der Orientierung und des Ankommens ging es dann nach draußen. 30 Minuten lang sollten wir mit der Wahrnehmung aus der Meditation draußen laufen und anschließend berichten, wie es uns ergangen war. Also Schuhe angezogen und weg vom Laptop. Für die Feedbackrunde konnte man, wenn man sich mitteilen wollte, seine virtuelle Hand heben. Mark hat dann für die jeweilige Person entsprechend die Stummschaltung aufgehoben, so dass man mit ihm persönlich kommunizieren konnte. Das Gesagte war natürlich auch für alle anderen interessant, die sich nicht mitteilen wollten.

Nach 150 Minuten intensiver Meditationspraxis gab es dann eine 2-stündige Mittagspause, für mich also die Gelegenheit zu Abend zu essen.

Der Klang der Natur

Im zweiten Teil stiegen wir dann ein in die Wahrnehmung von Geräuschen, um uns herum. Eine sehr gut zugängliche und sehr wirkungsvolle Meditationstechnik. Mark führte uns auch hier wieder wie durch ein Traumland, das es zu entdecken galt. Nur das dieses Traumland eben kein Traum, sondern die pure Präsenz war. Unaufgeregt und bildhaft spricht er von der Symphony of Sounds und den Discreet Sounds, die uns umgeben, und die in unser Bewusstsein vordringen durften. Von diesem Moment an bemerkte ich, wie unglaublich eindringlich und vielschichtig seine assoziative Meditationsanleitung wirkte. Es war unaufdringlich und bot zugleich genügend Anknüpfungspunkte, um eine persönliche Erfahrung machen zu können. Keine Suggestion, keine Aufdringlichkeit, sondern genügend Spielraum für die eigene, persönliche Erfahrung.

Die anschließende Feedbackrunde war dann durch Chatnachrichten geprägt, die Mark beantwortete und deren Themen er aufgriff, um etwas dazu zu sagen. Zum Abschluss des ersten Tages wurde es dann noch sehr persönlich, als Mark erzählte, wie er überhaupt zu Naturmeditation gekommen ist. Besonders imponiert hat mir seine Motivation, die nicht mit dem Wunsch der persönlichen Weiterentwicklung endet, sondern dem empfundenen Auftrag folgt, den Erfahrungsraum von Natur im Außen und Innen an andere Menschen weiterzugeben.

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